Meine Kindheit im Kriegs- und Nachkriegsneukölln
Bomben, Flucht, Wiederkehr und Wohnungsnot
Ursula Jespersen
Geboren bin ich am 11.11.1941 in der Kinderklinik in Mariendorf. Aufgewachsen bin ich bis 1950 in der Leinestraße 17, Eckhaus an der Schillerpromenade. Gegenüber an der Ecke lag eine Apotheke, auf der rechten Seite der Schillerpromenade war ein Kaufmann mit Milchausschank, etwas länger hin bis zur Okerstraße ein Tabakgeschäft. An drei Ecken eine Kneipe. Gegenüber von Leinestraße 17 liegt das Gebäude der damaligen Ingenieurschule. Zu beiden Seiten eine passende Villa. Rechter Hand lebte der Portier, linker Hand seine Familie, mit 2 Kindern Jürgen und Monika Hinter ihrer Wohnung war ein Garten mit einer festen Mauer, denn die Friedhöfe lagen dahinter. Von dem Friedhof aus konnte man einen Birnbaum sehen, der dann in der passenden Jahreszeit Birnen trug. Trotzdem, dass ich öfter bei der Familie spielte, gab es für mich nie eine Birne.
Zu der Zeit, da die englischen Bomben über Berlin geworfen wurden, nahm meine Mutter mich auf den Arm rüber in die damals Ingenieurschule. Auch viele andere Bürger suchten dort Schutz. Ich kann mich erinnern, als wir einmal rauskamen, war der Himmel in Richtung Schillerpromenade blutrot. Man hatte eine Bombe in die Kirche geworfen. Die Türme waren weg und wurden nie wieder errichtet. Nach Ende des Krieges, wurde eingesammelt, die Kirche durch die Spenden wieder aufgebaut, aber mit einem viereckigen Turm.
Da meine Mutter nicht mehr den Bombenalarm aushalten konnte, fuhr sie mit mir aufs Land, dort, wo sie geboren wurde. Die Berliner sollten nach Thüringen, aber das war Lagereinquartierung mit Kommandantin. Mein Vater, der bei der Bahn arbeitete zog zu seiner Mutter und Schwester (Grünthaler Straße im Wedding) und besuchte uns auf dem Land in Altkloster jedes 2. Wochenende, wo wir ein Zimmer bei der Cousine meiner Großmutter hatten. Hier war ich frei und sah zum ersten Mal eine andere Welt.
Ich war gerne dort, und so war meine Welt erst einmal gerettet. Mein Vater brachte nach Wunsch meiner Mutter alles Mögliche aus dem Haushalt mit. Ich stand schon immer unten am Weg und wartete auf ihn. Er fuhr mit der Eisenbahn bis Wollstein, danach mit dem Zug nach Mauche. Hier wartete er, bis ein Bauer mit seinem Fuhrwerk vorbeikam, setzte sich hinten drauf bis Altkloster an dem Weg, wo ich stand. Die 200 m gingen wir zusammen, und ich schüttete ihm mein Herz positiv oder negativ aus. In unserer Stube angekommen, musste ich ins Bett.
1945
Mein Vater war an diesem Wochenende zu Besuch, sonst wäre mein Leben anders verlaufen. In der Nacht im Januar oder Februar, hämmerte es an der Tür. Packen, was man kann, in 2 Stunden geht das letzte Fuhrwerk Richtung Wollstein! Dort fährt der letzte Zug Richtung Frankfurt/Oder, die Front ist nur 20 km von hier entfernt. Dort wird gekämpft. Meine Mutter zog mir ihre Pelzjacke aus Fuchsfell, die Haare nach innen gewendet an. Ich schlief auf der ganzen Fahrt, mehr weiß ich nicht darüber.
In Berlin angekommen, sind wir in die Grünthaler Straße. Von hier ging mein Vater jeden Tag zur Arbeit, zum Anhalter Bahnhof, das Tor zur Welt. Meine Mutter und ich, hatten keine Lebensmittelkarten. Meine Mutter verabschiedete sich, und mein Vater teilte seine Brotration mit mir.
Nachdem mein Vater uns beide für Lebensmittelkarten angemeldet hatte, waren 2 Tage vergangen. Keiner hatte mehr geglaubt, meine Mutter wiederzusehen. Sie war wieder zurück nach Altkloster gefahren. Die Züge fuhren noch Richtung Osten. Sie aß sich in unserem ehemaligen Zimmer satt, ging mit Babysachen von mir rüber zu Frau Kruk und tauschte das gegen einen Schlitten. Mit dem Schlitten vollgepackt mit Einmachgläsern, wollte sie durch tiefen Schnee von dort durch den Wald bis nach Lizza 40 km laufen. Von dort aus fuhren die Züge noch nach Breslau. Als ihre Kräfte aufgebraucht waren, kamen 2 deutsche Soldaten mit einer Zugmaschine, in der Mitte von Beiden ein Sack von lebenden Hühnern, die sie aus den verlassenen Häusern herausgeholt hatten. Auf den Hühnern sitzend, fuhren sie mit meiner Mutter nach Lizza. Von hier aus fuhren die Züge noch nach Breslau und von Breslau nach Berlin.
Doch sie erschien am 3. Tag, schmutzig, blutig und wollte nur schlafen. Sie dufte sich waschen, und am nächsten Tag ging es nach Hause in die Leinestraße 17, in eine Ruine. Inzwischen war dort eine Fliegerbombe runtergegangen. Die Druckwelle verursachte an der Kreuzung Leinestraße/Schillerpromenade eine tiefe Bodenwelle in die Erde. Das Treppengeländer war weg, auf der 1. Etage, die Wohnung zur Schillerpromenade war weg. Man konnte auf die Straße gucken. Die Wohnung daneben Küche und Bad war weg, die Stube zur Schillerpromenade und die Fensteröffnungen Richtung Leinestraße waren vorhanden, daneben das kleine Zimmer. Daneben war unsere Wohnung mit 42 qm. Sie war bewohnbar mit Wasser und Elektrizität.
Mein Vater, der bei der Bahn arbeitete, Anhalter Bahnhof, konnte Pappe besorgen, um die Fenster zu vernageln. Er kam jeden Tag von der Arbeit mit 2 Brikettkohlen in der Aktentasche nach Hause. Es wurde erst dann geheizt. Danach saß ich auf dem Kachelofen, um etwas Wärme zu haben. Abends unter der Bettdecke, bekamen wir eine Wärmflasche. Auf dem Gasherd in der Küche wurde heißes Wasser gemacht und in eine Tonflasche gegossen und mit einem Korken versehen. Plötzlich war der Überdruck, und das heiße Wasser schoss heraus an eine meiner Waden. Mein Vater durch den 1. Weltkrieg, bekannt mit Wunden zu verbinden, verband die Wunde. Immer wieder wurde der Verband gewechselt, um die wässrige Haut zu trocknen. Erst waren ein paar Narben zu sehen, aber mit der Zeit waren die auch verschwunden.
Meine Mutter organisierte ein Mädchen, borgte sich einen Kinderwagen, und das Mädchen fuhr mich spazieren zum und durch den Neuköllner Sportpark.
Die Russen hatten sich nun nach ganz Berlin durchgekämpft. Jedes Haus musste eine russische Fahne hinaushängen. Die Ingenieurschule wurde ihr Lazarett. Die Kameraden starben wie die Fliegen. Man hatte keine Ärzte. Aus der Schillerpromenade wurde ein russischer Friedhof. Man konnte dort nicht mehr langlaufen. Leinestraße um die Ecke/Schillerpromenade neben dem Kaufmann war eine russische Kommandantur eingezogen. Meinen Vater, kommend von der Arbeit, vor der Haustür, fuhren besoffene Russen mit ihrem Auto auf den Bürgersteig und ihn um. Schon verwundet durch den 1. Weltkrieg, gehend in orthopädischen Schuhen, ging er dann mit einem Krückstock. Auch anderweitig wurden wir belästigt. Sie suchten nach Uhren und Taschenlampen. Irgendein beherzter Mensch wendete sich an die russische Kommandantur, dort saßen Offiziere und danach war Ruhe, und auf dem Hof wurde vorher jemand erschossen.
Mit der Zeit, wurden die Russengräber geräumt bis auf eins. Das war noch einige Jahre länger zu sehen. Der Wochenmarkt wurde hier etabliert. Die Mütter gingen fast alle dort hin. Man traf sich, und die letzten Neuigkeiten wurden ausgetauscht.
Winter 1946/47
Es wurde ein strenger Winter mit Eis und Schnee. Ich bekam Scharlachsfieber. Meine Mutter zog mich auf dem Schlitten bis nach Britz, in der Hoffnung mich dort im Krankenhaus Britz abliefern zu können. Sie nahmen mich nicht. Sie musste wieder umkehren, und ich immer noch auf dem Schlitten mit 41 Fieber. Ein netter Mann unterwegs half ihr mit Schlittenziehen. Wir sind dann mit der U-Bahn nach Tempelhof ins Krankenhaus. Dort nahm man mich auf, in Quarantäne. Schlimmer hätte es nicht werden können. Allein im Zimmer, Blutabnahme am Ohrläppchen und kaum etwas zu essen. Ich wünschte mir Kartoffelmus meine Lieblingsspeise. Es kam Kartoffelmus gequetscht mit Wasser, ekelig.
Es wurde ein Winter mit 25 Minusgraden. Meine Eltern standen draußen und durften nur durch die Fensterscheibe gucken. Es war ja schon beruhigend, dass man sie einmal zu sehen bekam. Endlich war die 6-wöchige Quarantäne um. Alle Kinder wurden desinfiziert, und Puppe Grete bekam auch eine Dusche. Als ich dann endlich zu Hause war, merkte ich, dass ich sehr ausgehungert war. Während ich auf das Essen wartete, dass meine Mutter dabei war, für mich zu kochen, ging ich in die Schlafstube. Auf der Kommode stand meine Puppenküche. Das darin noch vorhandene Essen war ranzig geworden, doch ich aß es.
Auch die russische Kommandantur war nun schon verschwunden, und wir Kinder erfreuten uns am Sommer. Besonders schön war es, nach einem Regen. Danach füllte sich die Bodenwelle auf dem Fahrdamm mit Regenwasser, und wir Kinder genossen es, mit nackten Füssen und nur in Schlüpfern durchzulaufen, zu spritzen. Auch Mauersteine, es waren genug vorhanden, wurden drübergelegt und rüber balanciert. Klappersandalen aus 3 Stück Holz mit Zelttuch zusammengenagelt, klapperten beim Gehen. Je mehr es klapperte, desto besser. Eine stabile Währung wurden die Maikäfer. Mein Vater klebte mir einen Pappkasten zusammen. Obenauf nähte er ein Plastikfenster ein. Lindenblätter von den Bäumen in der Leinestr. füllten den Inhalt. Die Viecher fühlten sich sowohl da drin. Sie legten ihre Eier dort ab. Wo sollten sie auch sonst.
Die Mauer vor der Ingenieurschule, mit einem schmiedeeisernen Gitter obenauf, wurde ein Spielplatz. Wie Aale schlängelten wir uns dadurch, wo unterhalb die Forsythien Sträucher blühten. Am Anfang der Mauer war durch die Druckwelle ein Loch. Mit gesammelten Glassplittern, unsere Währung, spielten wir Kaufmannsladen. Ein Mädchen saß vorne, eines hinter dem Mauerloch.
Weiter hinten, Lichtenrader Straße, fingen die Ruinen an. Man hatte Angst vor Schnieschützen zum Flugplatz Tempelhof hin, deshalb sollten die Häuser unbewohnt sein. Von zuhause verwarnt, sollten wir nicht in den Ruinen spielen. Wir Kinder taten es doch.
Spielsachen hatte ich bis dahin noch keine. Meine Mutter fuhr zum Alexander Platz. Dort war „Schwarzer Markt“. Es wurde alles Mögliche gehandelt. Sie kam mit einem süßen Promenade Wagen, Puppe und Tretroller zurück. Leider war ich nur einmal damit auf der Straße. Die anderen Kinder wollten es mir wegnehmen. Wir Kinder spielten mit Murmeln oder Hopse oder auf einer Decke liegend mit Puppe, Vater Mutter und Kind
Leinestraße 17 Pattere rechts vom Treppengeländer, war die Frau mit ihrem Jungen in ihren Koloniegarten nach Groß Zieten gezogen. Wir besuchten sie später einmal in Groß Zieten, außerhalb Berlins. Gerade angekommen, sollte ich mit meiner Mutter schon wieder nach Hause. Ich protestierte. Ich durfte bleiben, die Wirtin begleitete mich am Nachmittag zur Straßenbahn, wo ich in den Schutz der anderen Fahrgäste kam, weil über dem Teltowkanal die Brücke gesprengt war. Eine provisorische Brücke (Pontonbrücke) war gelegt. Wir Menschen mussten die Straßenbahn verlassen, damit die Bahn leer über die Schienen fahren konnte. Wir Fahrgäste mussten über Bretter laufen, die schön für diese Balancetour gelegt waren. Ich kam gut nach Hause.
Ich wurde am 1. September 1947 eingeschult. Die Schule lag in der Briesestraße mit Toiletten, Kastenklosetts auf dem Schulhof. Weil die Schule abgerissen werden sollte, mussten wir nun über die Hermannstr. in die Weiseschule. Da schon ein wenig Autoverkehr herrschte, ging ich oft durch die U-Bahnunterführung. Zu uns in die 3. Klasse kam Marion C., sie wurde meine feste Freundin. Wir beide gingen in die Schwimmhalle in der Ganghofer Straße. Eintrittsgeld dafür bekam sie nicht. Ihre Mutter hatte oft Männerbekanntschaften. Die Wohnstube war deshalb abgeschlossen, und wir Mädels grinsten. Leere Bierflaschen lagen genug herum. Sie wurden zu Geld gemacht, und Eintritt für die Schwimmhalle war nun da. Ich wünschte mir einen Korkgürtel. Dreimal hatte ich den benutzt, dann konnte ich schwimmen.
1948-1949
Der Volkspark Neukölln wurde noch mehr verkleinert. Man konnte aber immer noch die Treppen zu beiden Seiten hinuntergehen. Linke Hand hatte man Kleingartenkolonien errichtet. Andere Kinder erzählten mir, dass man unter einem Zaun durchrutschen konnte, wo die schönen Schoten hingen. Ich probierte auch einmal. Ich wurde zu Hause nicht gefragt, wo ich die Schoten herhabe.
Ganz plötzlich wurde die DM eingeführt. Mein Sparschwein musste geleert werden und nun waren weniger Münzen drin. Man konnte aber für den Wert wieder Eis und Bonbons in der Eisdiele links neben der Kopfstraße kaufen.
Berlin war ja nun in eine amerikanische, englische, französische und russische Zone geteilt. Den Russen gefiel das gar nicht, dass die DM eingeführt wurde. Zur Strafe schlossen sie die Wasser- und Landwege für den Transport. Elektrisches Licht und Wasser wurde auch abgestellt. Wir hungerten, aber von der russischen Besatzungszone kam die Parole: Westberliner kommt zu uns, wir haben alles, was ihr benötigt.
Gegenüber der S-Bahngleise Hermannstr. lag eine Vorortsbahn, Schmalspurbahn, die Mittenwalder Kleinbahn. Von dort aus ging es aufs Land. Die Züge waren überfüllt. Die Leute saßen auf dem Zug und hingen aus den Türen heraus. Ich wurde durchs Fenster gereicht.
Ideen gingen von Mund zu Mund. Meine Mutter fuhr erst einmal mit mir zusammen, in Richtung Felder, die abgeerntet waren. Irgendeiner erzählte von Ähren sammeln, stoppeln gehen, dann die Kerne rauspulen und mit der Kaffeemaschine zu Mehl malen. Meine Mutter sammelte, ich die Marienkäfer in meine Faust. Leider krabbelten die eifrig wieder am kleinen Finger hinaus. Ich war so enttäuscht und meine Mutter später auch, denn aus der Kaffeemaschine kam kein feingemahlenes Mehl heraus.
Die meisten Bauern nahmen schon kein Geld mehr für Bezahlung ihrer Produkte – Wertsachen wurde die Währung. Meine Mutter hatte Glück. Für Geld bekam sie 50 kg Kartoffeln, zog los, kam mit der Mittenwalder Kleinbahn nach Hermannstraße. Gegenüber auf dem S-Bahnsteig waren viele Menschen versammelt, mit Armen und Geschrei gestikulierend. Die Russen zugegen, nahmen denen die Produkte weg. Meine Mutter wieder zurück in die Vorortsbahn, zurück zum Bauern, mit der Bitte, die Kartoffeln bis zum nächsten Tag aufzubewahren. Sie kommt morgen mit ihrem Ehemann wieder.
Mein Vater, weil er bei der Bahn arbeitete, ging in Uniform. Sie holten zusammen die 50 kg Kartoffeln ab. Zur Freude, war an diesem Tag keine Kontrolle.
Die Eisenbahn und S-Bahn wurden den Russen zugeteilt, die U-Bahn den westlichen Alliierten. Weil mein Vater nun sein monatliches Gehalt vom Russen ausbezahlt bekam, war es in der alten Währung, bevor die DM eingeführt war. Das hieß, unser Geld war nur 1/4 Teil wert. Wir wohnten in Westberlin, deshalb musste alles in DM bezahlt werden, Miete, Einkäufe usw. Zum Zahnarzt, Frisör gingen wir rüber nach Ostberlin. Mein Vater kaufte unterwegs oft noch etwas ein. Später dann, wurde das Geld von der Bonner Regierung prozentual langsam aufgewertet. Meine Mutter ging Zeitungen austragen, damit wir über die Runden kamen
Ein S-Bahn Boykott von den Westberlinern fing an. Nicht einmal für 0,20 Pfennige sind sie gefahren. Mein Vater fuhr gratis. Ich fuhr lieber S-Bahn als U-Bahn. In der U-Bahn war immer so schlechte Luft. Zu meiner Oma fuhr man auch mit der S-Bahn bis Frankfurter Allee, dann die Röderstraße, hinauf bis zur Kleingartenkolonie. Vorher kam noch die Station Viehhof. Hier konnte man von der S-Bahn die Kühe sehen, die dort standen dampfend, um ihr Todesurteil entgegen zu nehmen.
Die Oma wohnte in einem Balkenhaus mit Hühnern hinter dem Haus und Kasten Klosett. Weil einmal zu viele Hähne Küken ausgeruht wurden, bekamen wir einen Hahn. Mein Vater zimmerte einen großen Holzkäfig, der dann auf unserem großen Balkon aufgestellt wurde mit Hahn drin. Der wurde nach und nach immer zahmer. Als er durch die schon Oktoberkälte ganz heiser beim Krähen war, musste mein Vater ihn mit in den Keller nehmen und den Kopf abhacken. Vorher nahmen meine Mutter und ich noch Abschied, der ganz nass wurde. Mein Vater kam aus dem Keller mit Kopf und Rumpf und sagte, das mache ich nie wieder und wenn er hungern muss. Ich aß nichts von meinem Freund.
Die Amerikaner richteten bald die „Luftbrücke“ ein. Der Sportpark Neukölln verschwand total. Die Flugzeuge brauchten Landungsplatz. Bald konnte man die Flugzeuge per 3 Minuten Takt über die Thomas Friedhöfe von unseren Fenstern aus sehen. Das war etwas anderes mit Elektrizität und Wasser. Wir Kinder waren oft das Telefon. Ich lief einmal ganz eilig nach oben, um meine Mutter zu informieren, wo es Wasser geben soll. Wir hatten die Berliner Kindl Brauerei in der Rollbergstr. Die hatten dort ihr eigenes Wasserwerk, und dort konnte man Wasser holen. Mit 2 emaillierten Eimern zogen wir los. Auf dem Bürgersteig war ein Brunnen Deckel geöffnet worden. Dort standen die Leute schon 1 km in der Schlange. Endlich wurden auch unsere 2 Eimer gefüllt. Ich konnte so einen schweren Eimer nicht tragen. Das Wasser wäre rausgeschwappt. Wasser fürs Essenmachen war erst einmal gesorgt. Mit dem im Badeofen vorhandenen Wasser wurde ich erst gewaschen, dann meine Mutter so der Vater und dann wurde es zum Nachspülen für die Toilette benutzt. Stearinkerzen wurden benutzt bis dann für erst 1 Stunde das Licht angemacht werden konnte und man den Gasherd fürs Essen kochen anmachen konnte.
Für uns Kinder wurde Essenspeise eingeführt. An gewissen Eckkneipen konnte man mit einem Blechteller hingehen und sich eine warme Mahlzeit aus Kübeln abholden. Gegessen musste dort werden. Schulspeisung wurde eingeführt und das bis zu unserem 12. Lebensjahr.
Auf den Höfen der Häuserblocks wurde der Rasen umgepflügt und Beete daraus angelegt. Wir bekamen ein Schattenstück. Da wuchs fast gar nichts. Die Mohrrüben waren wurmstichig.
Im Sommer wurde im Körnerpark ein Ferienlager eingerichtet. Wir kleinen Kinder sollten D Vitamine auf unseren Körper bekommen. Am Kanal der Grenzallee spendierten die Amis uns Zelte. Auch hier waren die Sommerferien immer ein Erlebnis. Es wurde für Unterhaltung gesorgt sowie Kasperle Theater. Ich wurde ein Fan davon. Ein Namenschild um den Hals fuhren wir mit der Straßenbahn, danach wurde noch ein langes Stück gelaufen. Das konnten wir Kinder gut, denn das waren wir gewöhnt und geübt. Das ging ca. bis zur 6. Klasse.
Ich wünschte mir Rollschuhe, denn in der Leykestraße auf der anderen Seite der Hermannstr. war der Straßenbelag Beton. Dort konnte man schön Rollschuhfahren. Erst einmal lernen die Balance halten. Ich übte, bis ich es konnte. Am Ende der Leykestraße war ein Dreieck mit Kopfsteinpflaster. Darüber lernte ich auch zu steuern, denn auf dem Mittelweg danach war wieder Beton und auf dem Bürgersteig Schotter. Am Ende des Mittelweges wurden ebenfalls Kleingartenkolonien eingerichtet. Die Thomasstr. traf sich dort mit dem Mittelweg. Die Wohnung Leinestraße 17, gebaut 1936, war nun für 3 Personen zu klein geworden. Ich lag schon krumm in meinem Kinderbett. Meine Mutter ging auf Wohnungssuche, eine Wohnung, die grösser war als unsere.
Größere Wohnung, größeres Zimmer – eigentlich unmöglich, Berlin war immer noch ein Ruinenhaufen.
Es kam ein älteres Ehepaar aus der Leykestraße 16. Meine Mutter wunderte sich, denn das Erste was die Frau tat, war auf unsere Toilette gehen. Die waren begeistert, und der Wohnungstausch war perfekt. Wir zogen ein in Leykestraße 16, Jahrgang 1907 von Juden, die nach London ausgewandert waren. Sie kassierten nur die Miete, ließen nichts reparieren schon gar nichts erneuern. Bleirohre in den Wänden, ein gusseisernes WC, das verkalkt war, lief nicht ab so wie das Wasser in der Badewanne. Es lief ins Bad auf den Holzfußboden. Unten im Keller des Hauses arbeitete eine Druckerei, später ein Kohlenladen. Damit mussten wir uns nun arrangieren.
Ich war in der Schule oder mit meinen Rollschuhen auf der Straße. Schlittschuhe bekam ich zum Anschnallen. Auf dem Inn-Platz wurde geübt. Später wurde der Sportspark Neukölln wieder zum Leben erweckt. Hier überrieselte man im Winter ein Feld mit Wasser, damit man hier Schlittschuhlaufen konnte. Ich bekam Schlittschuhe mit Weißen Schuhen dran. Und dann wurde Pirouetten drehen geübt.